… von Herbert Austin, dem Austin Seven und einigen Miniaturen.
Als der 1866 geborene Herbert Austin im Jahre 1905 gemeinsam mit Bekannten die erste eigene Firma in Longbridge, einige Meilen südwestlich von Birmingham gelegen, mit einem Grundkapital von 20.000 Pfund registieren ließ, hatte er bereits ein auf-regendes Leben geführt. Er war in Australien gewesen und hatte dort für die Wolseley Sheep Shearing Company eine Maschine entwickelt, die die Schafschur wesentlich er-leichterte. Als er nach England zum Wolseley – Stammwerk zurückgekehrt war, setzte er dort Entwicklung und Produktion solcher Maschinen sehr erfolgreich fort. chon als Schüler hatte sich seine große Fertigkeit und Veranlagung im Zeichnen und Konstruieren gezeigt, die er nun in der Freizeit zunächst zur Verbesserung und Überarbeitung von Fahrrädern einsetzte. Sein erstes eigenes Automobil, das auf den bei Wolseley gemachten Erfahrungen basierte, baute er aber erst im Jahre 1895. Es war ein sog. Tri-Car, das von einem Motor mit hängendem Zylinder angetrieben, mehr einem motorisierten Fahrrad als einem Auto glich, und das er in seinem Heim in Lickey Grange gebaut hatte.
Der Auslöser, der bei Austin ein Umdenken weg vom Bau relativ großer, hin zu dem kleinerer, dennoch vollwertiger Automobile für alle Familien in Gang setzte, ist in einem Gesetz zu sehen, das ab 1. Januar 1921 galt.
Diese Vorschrift erhöhte die jährlich zu zahlende Steuer für den bereits mit verkleinertem Motorvolumen ausgestatteten Austin 20 von 6 auf 23 Pfund. Da die Steuer sich am Hubraum des Motors orientierte, dachte Herbert Austin über einen Ersatz nach, der lediglich 8 Pfund an Steuern erforderte. Jowett und Rover hatten zu dieser Zeit bereits solch kleine Autos im Programm, die in ihrer Konzeption allerdings nicht den Vorstellungen Austins von einem kleinen und zuverlässigen Wagen entsprachen. Zusätzlich suchte er nach einem Mitarbeiter, der ihn bei Konzeptfindung und Konstruktion unterstützen sollte. Er fand in dem damals erst 18 Jahre alten Stanley Edge schlussendlich einen kongenialen Partner, der den Patron erheblich entlastete. Edge bezog ein Büro in Lickey Grange, war somit frei vom Getriebe der Fabrik in Longbridge und konnte dort ungestört zeichnen, konstruieren und die Produkte der Konkurrenz begutachten.Ansonsten boten die Sevens alles zum Betrieb Erforderliche, so dass sie sehr schnell den Beinamen „Chummy“, also Kumpel erhielten, der eine kleine Familie bei zwar mäßiger Geschwindigkeit sicher und zuverlässig zum gewünschten Ziel brachte. Am Armaturenbrett und am geschüsselten Dreispeichen – Lenkrad waren zum Betrieb absolut notwendige Instrumente und Schalter angebracht; es fehlten zunächst allerdings Trittbretter und Anlasser, doch waren die Autos in nicht weniger als sieben Farbstellungen orderbar. Erste Nachbesserungen standen bereits ab 1924 zur Verfügung, als z.B. ein Geschwin-digkeitsanzeiger gegen Aufpreis installiert werden konnte. Weitere Änderungen bezogen sich in erster Linie auf den Motor mit zweifach gelagerter Kurbelwelle und das Schmier-system desselben; der direkt im Wind stehende Kühler mit dem Austin – Emblem auf dem oberen Quersteg war zu dieser Zeit in der Regel schwarz lackiert und das bei sämtlichen Farbstellungen. Obwohl der Seven in den frühen 1930er Jahren noch immer guten Zuspruch bei den Käufern fand, war er doch trotz stetig verbesserter Technik und Ausstattung reif für eine durchgreifende Überarbeitung. Austin trug dieser Gegebenheit Rechnung und brachte ab 1934 Seven – Autos der „Edelstein – Serie“ heraus, den Ruby als Limousine, den Opal als offenen Zweisitzer und den Pearl als viersitzige Cabrio – Limousine. Diese Fahrzeuge waren in Technik und Raumgestaltung extrem verbessert, trugen ihre Aufbauten auf verlängertem Chassis und erhielten nicht zuletzt durch eine gewölbte Kühlermaske ein viel moderneres Erscheinungsbild. Von diesen Vorbildern sind derzeit keine Modelle auf dem Markt, von den Vorgängern allerdings einige Ausführungen als Saloons und Vans von der Firma Oxford, die z.B. bei Model Car World zu kaufen sind. Ein 1:43 Metall – Bausatz erschien in den 1980er Jahren bei Mikansue, an dem ich damals jedoch kein Interesse hatte, so dass er mir heute sehr fehlt. Meine Sammlung von Seven – Modellen umfasst solche von Matchbox und einige in den 80er und 90er Jahren aus 1:43 Bausätzen von Wills Finecast gebaute Typen.
Von Wills Finecast stammt auch das 1:43 Modell einer Sportausführung des Seven, des berühmten, Ulster genannten kleinen Rennwagens, der ab 1928 bei Wettbewerben nicht nur von Privatleuten sondern auch vom Werk eingesetzt wurde. Der Motor des Renners leistete 40 PS und wich natürlich wegen verbesserter Schmierung, spezieller Kurbelwelle, anderer Nockenwelle, größerer Ventile und überarbeitetem Zylinderkopf stark vom Serienmotor ab.
Den Kit gab Wills in den 1980er Jahren heraus und veredelte ihn durch die Beilage fotogeätzter Teile zum Eigenbau von Speichenfelgen. Ich konnte um 1995 einen derartigen Bausatz antiquarisch erwerben, baute ihn und erfreue mich bis heute über das gelungene Modell eines Ulster mit dem typischen Spitzheck. Dem Ulster folgten ab Werk weitere Sportzweisitzer wie Nippy oder Speedy, von denen mir allerdings, außer einem 1:43 Nippy – Kit, keine Modellausformungen bekannt sind.Es scheint illusorisch, auf die eine oder andere Modellpräsentation dieser formidablen kleinen Rennwagen zu warten. Realistischer ist es da, weil vermutlich leichter möglich, sich auf dem aktuellen oder antiquarischen Büchermarkt mit entsprechender Fachliteratur zu versorgen. Empfehlenswert sind z.B. das „Source Book“ von B.Purves, „The Austin Seven – the motor for the million“ von R.J.Wyatt oder „Austin Seven“ von Chris Harvey. Viele der in diesen Werken veröffentlichten Fotos oder Zeichnungen fanden Eingang in diesen Artikel. Die kurz nach Markteinführung des Seven begonnenen Aktivitäten im Bereich des Motorsports beschränkten sich nicht alleine auf die des Werks und von Cecil Gordon England. Alsbald fertigten Abbot, Avon und weitere Firmen ebenfalls Fahrzeuge, die in erster Linie für den sportlichen Wettkampf konzipiert waren. Dieser Trend setzte sich auch nach 1939 und etwa 290.000 verkauften Seven, sowie nach dem Ende des zweiten Weltkrieges unverändert fort. Infolge von Aktivitäten einschlägiger Motorsport- Ver-einigungen, wie z.B. des „750 – Motor – Clubs“ entstanden immer neue Formen in Technik und Aufbau, die dem jeweiligen Stand der Motor- und Fahrwerks – Technik entsprachen.
Peter Cahill, inzwischen leider verstorbener Motor – Journalist, sandte mir in kopierter Form eine Übersicht über die in den 1960er Jahren erhält-lichen Spezialkarosserien zu, als ich einen „home – made – special“ in er-bärmlichem Zustand erwarb. Bis heute ist der Wagen noch nicht in das ihm zustehende Umfeld zurückgekehrt.
Anders verfuhr der berühmte Colin Chapman, denn er begründete mit dem extremen Umbau eines Austin 7 die Firma Lotus, deren erste Konstruktion, der eben erwähnte Mark 1 bis hin zum Mark 6 die Grundlage für den heute begehrten Lotus 7 bildeten. Vom Lotus Mk.1, der ja ursprüngliche Austin – Seven – Technik beinhaltete, gab es noch 1988 einen Metall – Bausatz im Maßstab 1:43 von Modsport.
Andere Wege beschritten Firmen wie Arrow, Merlyn, Mulliner oder Swallow, die einzig rollende Chassis bei Austin orderten und diese dann mit Sonderkarosserien versahen. Das geschah in einer Form, wie es bei großen Fahrzeugen seit Jahren gängige Praxis war. Eine herausragende Stellung nahm in dieser Hinsicht die Swallow Sidecar and Coachbuilding Company mit Firnensitz in Blackpool ein. Das 1922 von William Lyons gegründete Unter-nehmen stellte zunächst Seitenwagen für Motorräder her. Derlei Ausrüstungsgegenstände erhöhten die Nutzungs-möglichkeiten der Motorräder enorm und ließen sich entsprechend gut verkaufen, so dass alsbald auch Aufbauten für Automobile diverser Hersteller und ab 1927/28 Spetialkarosserien auf der Basis des immer beliebter werdenden Austin Seven entstanden. Die Linienführung der Swallows war eleganter als die der Seven, und die Ausstattung prägte ein Hauch von Luxus. John´s zweisitziger Roadster ist in gleicher Weise wie die Limousine gestaltet, wirkt aber aus der Heckansicht doch einigermaßen eigenartig.Selbst eine separate Be- und Entlüftung des Innenraumes war serienmäßig installiert. John Gallon, stolzer Besitzer einiger Swallows, erklärte mir mit verschmitztem Lächeln, da er wußte, dass ich Raucher bin, die Entlüftungsklappe im Dach sei in erster Linie zum Abführen des Rauches von Zigarren und Pfeifen vorgesehen gewesen.
Übrigens nimmt John traditionell an den Veranstaltungen der Jaguar Association und des französichen Jaguar – Clubs teil. Die „Swallow Sidecar Company“, kurz „SS“ wurde nämlich in den späten 1930er Jahren umbenannt, weil eine Verwechslung mit dem deutschen SS-Kürzel befürchtet wurde. So nannte William Lyons seine Firma fortan Jaguar – Cars Limited nach einer bereits zuvor von ihm eingeführten Produktionsreihe. Heute, etwa 90 Jahre nach ihrer Entstehung, sind die Swallows gesuchte Oldtimer und das nicht nur, weil während der Produktionszeit von 1928 bis 1932 nur wenige hundert Autos gefertigt wurden und in entsprechend geringer Zahl überkommen sind. Sie sind, wie die übrigen Seven, von denen insgesamt etwa 300000 Exemplare entstanden, als Oldtimer robust, leicht zu pflegen und bereiten dem Fahrer bei Ausfahrten jeglicher Art großes Vergnügen.
Verwendete Literatur:
Purves, Br. : The Austin Seven Source Book. Sparkford, 1989, 543 Seiten.
Kennzeichnung für die Herkunft von Abbildungen: (Pu)
Harvey,Chr.: Austin Seven. Sparkford, 1985, 222 Seiten. (Ha)
Wyatt,R.J. : The Austin Seven – the motor for the million. 2. Auflage, Newton
Abbot, 1976, 216 Seiten. (Wy)
Wood, J. : The Austin Seven. Princes Risborough, 1999, 32 Seiten. (Wo)
Stephens, P.J.:Building and Racing My „750“. 3.Auflage, Strand, 1957, 111
Seiten. (St)
Clarke, R.M.: Austin Seven 1922 – 1982. Cobham, 1982, 100 Seiten. (Cl)
Schrader, H.: Britische Sportwagen. Band 1, München, 1983, Seiten 78-81.
(Schr 1)
Schrader, H.: Britische Sportwagen. Band 2, München, 1984, Seiten 22-25. (Sch)
Morland, A.: Lotus Seven. Königswinter, 1995, 130 Seiten. (Mo)
Enzyklopädie des Automobils. Augsburg, 1994, Seiten 43-47. (Enz)
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